Die Post wird geliefert. Jeden Werktag, immer zur gleichen Stunde. Die Postbotin kommt mit dem Fahrrad, zuverlässig, schüchtern und still. Auf ihrer Runde kommt sie zu verschiedenen Briefkästen, in die sie die Post anderer Leute einwirft. Die Briefe, die sie ausliefert, sind für die Postbotin Zeugnisse eines glücklichen, perfekten Lebens, das alle anderen Menschen offenbar führen; sie selbst ist nicht Teil dieser Welt, die sie sich in den schönsten Farben ausmalt.
Eines Tages stirbt eine alte Dame, die ihre Briefe von unserer Postbotin bekam. Sie nimmt die Post der Dame an sich, mehr durch Zufall als gewollt. Sie trägt sie nach Hause, hütet sie, findet durch sie Zugang zu einer glücklichen Welt, der sie nicht angehört. Immer mehr Briefe stiehlt die Postbotin, immer tiefer wird sie in ihre eigene Fantasiewelt gezogen – bis die Vorstellung vom perfekten Leben in den Briefumschlägen plötzlich zerbricht.