Die Erinnerung wird ermöglicht durch das, was der Augenblick, wo man
sich erinnert, mit dem Augenblick, an den man sich erinnert, gemeinsam
haben. In Marcel Prousts „Eine Liebe von Swann“ wird das erneute
Hören des kleinen Themas von Vinteuil für Swann zur Auferstehung der
Vergangenheit. Es ist nicht nur das „l’air national de leur amour“, die
Nationalhymne seiner Liebe zu Odette, sondern führt ihn zum Bewusstsein
einer unsichtbaren Realität, die er zuvor nicht gekannt hatte. Wie
Marcel selbst, der später in „Die Gefangene“ beim Hören des Septetts von
Vinteuil Ähnliches erlebt, bewirkt das Kunstwerk ein Bewusstwerden ihrer
eigenen Identität. Das Kunstwerk wird zur Poetisierung der Wirklichkeit,
wenn man darunter kein nachträgliches Hinzufügen, sondern eine
Rückerstattung eines ursprünglichen Gehaltes von Wirklichkeit versteht.
(Curtius)
Dieses Gemeinsame in der Erinnerung von Gegenwart und Vergangenheit
bezeichnet Proust als das Immaterielle, dieses zwei zeitlich entfernte
Augenblicke Verbindende, als die außerzeitliche Essenz der Dinge.