Mit der Strahlung sei es wie im Krieg gegen einen unsichtbaren Feind, meinen Garys altgediente Kolleg/innen im Atomkraftwerk. Wie wenn der Körper nach einer unverhofften Verführung momenthaft an Fassung verliert, konkretisiert Karole (Léa Seydoux) und veranschaulicht ihre Aussage mit einem sinnlichen Kuss vor versammelter Entourage. Das war an Garys (Tahar Rahim) erstem Abend im Trailerpark der Hilfsarbeiter/ innenschaft – der Truppe fürs Grobe im Mehrklassensystem des Werks. Wo gesundheitliches Risiko und Strahlung am stärksten sind, findet der Neuling endlich das, wonach er stets gesucht hat: Geld, Freundschaft – und möglicherweise Liebe. Fortan parallelisiert Rebecca Zlotowski sprichwörtliche und tatsächliche Spannungsverhältnisse: zwischen Reaktor und Körper, zwischen den in der steten Gefahr aufeinander angewiesenen Arbeiter/innen, zwischen Gary und Karole. In sorgsam arrangierten Bildern kontrastiert sie deren sexuelle Annäherung im wildwüchsigen Naturraum mit der dahinter wütenden Realität, die sich in den unbarmherzig emporragenden Atommeilern und der zunehmenden Skepsis von Karoles Verlobtem manifestiert. Während der esoterisch inspirierte Freejazz-Score die unsichtbaren Schwingungen von Atomkern und Leidenschaften beschwört, entwickelt sich ein Liebesdreieck, das in der Fatalität der wiederkehrenden Warnsirenen seinen beklemmenden Widerhall findet. Und eine Erzählung, die sich auch als gesellschaftskritischer Kommentar zur (gesundheitlichen) Ausbeutung von Niedriglohnarbeitskräften lesen lässt.
(http://www.diagonale.at/filme-a-z?ftopic=finfo&fid=6286)