Die Welt kennt seinen Namen durch den Molotow-Cocktail. Brandsatz, Symbol von Vernichtung, Terror und willfähriger Zerstörungslust. Ein Mensch, dessen Name mit unheilvoller Sprengkraft verbunden bleibt? Was für ein Leben, das so in die Geschichte eingeht?
Eigentlich hieß er Skrjabin. Aber so, wie sich Dsugashwili „Stalin“ nannte, der Stählerne, so nannte er sich „Molotow“, der Hammer. Beide wollten mit ihren Tarnnamen nahe heran an die Arbeiter. In den Namen lag schon alles verborgen: die Härte, die Gewalt, die Unerbittlichkeit, der gnadenlose Terror des Systems. Er war der Mann neben Stalin, er war der Mann hinter Stalin, und er blieb eine Zeit lang auch mächtig nach Stalins Tod. Was Geschichte in diesem 20. Jahrhundert mit Millionen Menschen machte: Molotow führte oft genug die Feder für diktatorische Befehle. Was die Welt politisch und militärisch in Atem hielt: Molotow war dabei. Was das vergangene Jahrhundert in die schrecklichste Extreme trieb: Molotow war Akteur. Hartnäckig, direkt, schlagfertig, listig, die Fassade ganz Korrektheit, Freundlichkeit und Sinn für gute Umgangsformen. In Zeiten der Säuberungen, Geheimprozesse und Massenerschießungen - vor allem 1937 - nannte man ihn den „Buchhalter des Schreckens“: Er hinterließ hunderte Listen mit nahezu 40.000 unterschriebenen Todesurteilen. Kühle Bilanz: „Unsere Fehler, auch die schwersten, waren gerechtfertigt.“
Der Film von Ullrich H. Kasten und Hans-Dieter Schütt erzählt die Geschichte Molotows. Ab 1930 Ministerpräsident der Sowjetunion, er bleibt dies elf Jahre lang. Später wird er auch Außenminister, verkündet der Welt, was hinter den Mauern des Kreml zur Staatspolitik erklärt worden war. Er verhandelt mit Hitler und Ribbentrop, mit Roosevelt und Churchill, mit dem japanischen Außenminister. Er schmiedet wesentlich den Hitler-Stalin-Pakt, er wird während des Zweiten Weltkrieges zum Vermittler zwischen Moskau und den anderen Alliierten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird er zum „Vater“ der Stalin-Note, die den Westen zum Friedensvertrag mit Deutschland drängt. Molotows Frau Polina war im Zweiten Weltkrieg führendes Mitglied des Jüdischen Antifaschistischen Komitees. Nach dem Krieg zog sie den antisemitischen Unwillen Stalins auf sich, die Folge, fünf Jahre Verbannung wegen „fortgesetzten Kontakts zu jüdischen Nationalisten“. Molotow nahm dies - nach später, schwacher Nachfrage bei Stalin - schweigend hin. Was sie rettete, war Stalins Tod. Er hatte sich zur Scheidung zwingen lassen. Obwohl eine von Molotows Enkelinnen später sagen wird, sie habe nie zwei Menschen gesehen, die verliebter waren als ihr Großvater und seine Polina.
Vom Zweiten Weltkrieg in den Kalten Krieg. Nach dem Tode des Diktators Stalin hatte er zunächst politisch die Abrechnungs- und Korrekturwellen in der kommunistischen Partei überstanden, dann aber folgt sein unweigerlicher Abstieg in mehreren Etappen - aus dem Minister wird ein Botschafter in der Mongolei, ein Diplomat in der Atomenergiebehörde in Wien, der Spitzenfunktionär wird schließlich zum Parteifeind erklärt. Er wird 1962 aus der KPdSU verstoßen, erst als Vierundneunzigjähriger rehabilitiert. 1986 stirbt er. Der Film ist eine gleichnishafte Studie über Aufstieg und Fall eines Prototyps. Churchill schrieb in seinem Buch „Der Zweite Weltkrieg“: „Was Molotows Führung der auswärtigen Politik betrifft, so würden ihn Mazarin, Talleyrand und Metternich als einen der ihrigen willkommen heißen.“ Voller böser, irrwitziger, traurig-komischer Geschichten ist diese sowjetische Biografie; das Privateste aus dem Innenzirkel des Kreml ist eingebunden in die großen Ereignisse der Politik. Ein Molotow-Porträt ist so auch ein Stalin-Porträt.