Einer der beiden Schützen wirft angesichts des angerichteten Unheils unter Tränen die Waffe weg und schreit „Warum sind die denn nicht stehengeblieben?!" Doch da ist es längst zu spät.
Als der Politoffizier am Tatort eintrifft, um die „Grenzverletzer" persönlich in Augenschein zu nehmen, lässt er sich über das Grenzmeldenetz zu der zynischen Bemerkung hinreißen: „Jetzt blutet das Schwein aus."
Wenig später übernimmt das Ministerium für Staatssicherheit die Regie. Die beiden Grenzsoldaten, die auf die Jugendlichen geschossen haben, werden abgezogen und instruiert, zu schweigen. Der Grund: Der tragische Vorfall ist äußerst brisant, denn hier ließ ein angeblich friedliebender Arbeiter- und Bauernstaat um den Preis der Unverletzlichkeit seiner Grenzen auf die eigenen Kinder schießen. Sollte dies im Westen bekannt werden, käme dies einem Offenbarungseid gleich.
Um genau das zu verhindern, versucht das MfS die wahren Umstände von Heikos Tod zu verschleiern: Die Mutter des erschossenen Jungen wird eingeschüchtert, die Wohnung in Halle-Neustadt verwanzt und ihre Post kontrolliert. Sie habe einen Landesverräter geboren, wird ihr eröffnet. Auf den Tod ihres Sohnes angesprochen, soll sie nur von einem Unglücksfall sprechen.
Dabei ging es den beiden Jungen gar nicht um Verrat an der DDR, sondern um eine Flucht vor den ganz normalen Problemen ihres Alltags: Heiko und Uwe gingen in die 9. Klasse und waren versetzungsgefährdet. Damit war die Lehre in Gefahr und wie viele andere Teenager ihres Alters hatten sie auch noch Stress mit den Eltern. Aber Landesverräter? Die sehen anders aus.
Den ersten Vertuschungsversuchen folgt ein ganzer Maßnahmeplan, der vom MfS akribisch vorbereitet worden ist: Heikos Beerdigung wird kurzerhand vorverlegt, um seine Mitschüler davon auszuschließen. Eine Traueranzeige in der Zeitung wird nicht gedruckt. Und schließlich ist am Tag der Beerdigung jeder zweite Kondolent auf dem Friedhof ein Informant des MfS. Akten werden manipuliert, Urkunden gefälscht, Zeugenaussagen frisiert. Dennoch - trotz zum Schweigen gebrachter Soldaten, Angehöriger und Lehrer sind die langen Schatten im „Fall Heiko" nicht zu tilgen. (http://if-age.de/index.php/in-produktion/in-produktion-eintrag/9-nonfiktional/404-mordfall-heiko)