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Nicht mehr unsere Heimat

  • No Longer Our Homeland (Internationaler Englischer Titel)
Dokumentarfilm | 2015-2016 | Deutschland, Polen

    Kurzinhalt

    Am Anfang sind es Menschen. Menschen, die in Eintracht zusammenleben. Natürlich gibt es hier und da Auseinandersetzungen, aber die sind alltäglich und resultieren nicht aus dem Abgrund, der sich durch die Spaltung in Gruppen verschiedener Abstammung auftut. Der Dokumentarfilm „Nicht mehr unsere Heimat“ zeigt eindrücklich den absurden Verlauf der Dinge, wenn das sogenannte Nationalbewusstsein erwacht und ein konstruierter und zugleich unkontrollierbarer Hass das bisher friedliche Leben einer Gemeinschaft für immer zerstört. Der Krieg erklärt Menschen, die sich immer als Nachbarn und Freunde verstanden haben, zu erbitterten Feinden.
    Kristof Gerega hat eine für die Gegenwart erschreckend exemplarische Geschichte entdeckt, die aus seinen eigenen Wurzeln erwächst und der keine eindeutige Wahrheit zugrunde liegt. Als die Großmutter des Filmemachers stirbt, tauchen Fragen auf. Fragen, die ihn nicht loslassen.

    Während des Zweiten Weltkriegs im damaligen Osten Polens verübten ukrainische Partisanen ethnische Säuberungen an der polnischen Zivilbevölkerung. Die deutsche Besatzungsmacht förderte den polnisch-ukrainischen Konflikt aus taktischen Gründen. Polnische Partisanen verübten Vergeltungsaktionen an der ukrainischen Zivilbevölkerung. Über genaue Opferzahlen sind sich Polen und die Ukraine bis heute nicht einig.
    Die Großeltern von Kristof Gerega kommen aus Hanaczów, einem Dorf im Osten Polens. Mit dem Ende des Krieges werden die Grenzen neu gezogen, die Großeltern werden aus Hanaczów vertrieben, verlieren sich aus den Augen und treffen sich in Radzimów wieder, bekommen Kinder. Allein Onkel Jan lebt heute im Haus der Großeltern.
    Man kann von drei Protagonisten sprechen: Neben dem Onkel sind das Andrij, ein junger Historiker, der sich intensiv mit der Geschichte Hanaczóws auseinandersetzt, sowie Edward, 87 Jahre alt, der sich für das Gedenken der in Hanaczów Getöteten einsetzt. Seit fast vierzig Jahren engagiert er sich unermüdlich für die Errichtung eines Denkmals, das dort stehen soll, wo sich das Massengrab befindet; Edward lebt heute in Puławy, nahe der polnisch-ukrainischen Grenze, noch immer fest entschlossen.

    Der Dokumentarfilm setzt bei genauerem Hinsehen und Hinhören nicht auf das vordergründig Gesagte, sondern vor allem auch auf Zwischentöne; auf den Ausdruck in ihren Gesichtern, wenn sie kurz einmal innehalten und der Blick sich irgendwo zwischen zwei Häuserdächern verliert; darauf, wie sich die Haltung ihrer Körper beim Versuch, sich zu erinnern, verändert.
    Die Berufung auf Menschlichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch alle Interviews, durch alle Bilder, durch alle aus dem Off gesprochenen Texte von Kristof Gerega, der, anstatt zu kommentieren, Überliefertes aus der eigenen Familie in Form von kleinen Geschichten einbringt, was dem großen Ganzen ein fast poetisches Fundament verleiht.
    (Anne-Kathrin Heier)